Vom 17.-22. November 2023 war es zum 5. Mal soweit: Der 5. kostenlose Online-Hundekongress lief.
Es ist immer wieder ein Erlebnis, wenn Organisatorin Ariane Ullrich diesmal über 40 Hunde-Fachleute (die üblicherweise für einen respektvollen, freundlichen Umgang mit dem Hund stehen) zusammen trommelt und sie zu ihren jeweiligen Spezialthemen interviewt. Auch wir durften dabei sein und mit dem Live-Mitmach-Workshop „Fitness & Spaß für Mensch & Hund“ für Bewegung sorgen. Und: Wir haben wie immer den Kongress im Blog begleitet und veröffentlichen an den Kongresstagen und danach hier auf dieser Seite „Wissensschnipsel“ aus den von uns geschauten Interviews.
Hundekongress und Kongress-Videos schauen - wie geht das?
Und hier kommt der Überblick über die Kongresstage und -themen. Wann immer wir ein Video schauen, tragen wir Wissenswertes daraus zusammen. Und weil man so viel auf einmal gar nicht gucken kann: Auch an den Tagen nach dem Kongress kommt für alle Kongresstage noch Interessantes dazu!
Unsere Haushunde sind jahrzehntelang in der Forschung vernachlässigt worden – weil man sie eher als „Abfallprodukte“ vom Wolf betrachtete und sich gar nicht bewusst war, was für ein einzigartiges und erstaunliches Wesen sich in der ökologischen Nische unserer menschlichen Haushalte entwickelt hat. Dass das jetzt anders ist, dazu hat leistet Prof. Dr. Ádám Miklósi einen wesentlichen Beitrag. Er ist Direktor des Family Dog Project und Leiter des Instituts für Ethologie an der Eötvös Loránd Universität (Ungarn) als größte Forschungsgruppe zum Hund in Europa – und war beim Hundekongress zu Gast!
Im seinem Interview stand u.a. eine der besonderen Eigenschaften des Hundes im Vordergrund: Seine Bindungsfähigkeit an den Menschen, die sich im Laufe der Domestikation entwickelt hat. Viele, auch wilde, Tiere können zu Menschen bindungsähnliche Verhältnisse aufbauen, wenn sie von ihnen sozialisiert wurden. Aber: Wechselt die Bezugsperson, gibt es Probleme. Bei Hunden ist das anders – und besonders: Sie können auch als erwachsene Tiere innerhalb kurzer Zeit eine Bindung zu ihren neuen Bezugspersonen aufbauen! Das ist etwas, was viele von uns Hundeleuten bereits erfahren haben, die Hunde im Erwachsenenalter zu sich genommen haben – und ein schönes Plädoyer für die Adoption von Tierschutzhunden!
Das nächste Thema: Direkt passend zu unserem Online-Live-Mitmach-Workshop „Fitness & Spaß für Mensch & Hund“!
Wir Hundeleute sind jeden Tag in der Natur unterwegs, bei jedem Wetter. Das ist schonmal super, denn dadurch haben wir mehr Bewegung als so mancher „Durchschnittsmensch“. Allerdings: Wer seiner Gesundheit richtig was Gutes tun will, der achtet auf Variationen in den Bewegungsabläufen und spricht damit die verschiedensten Muskelgruppen an. Wie gut das ist, daran erinnerte Tanja Petrick, Fitnesstrainerin und Gründerin von „Fit mit Hund“ im Interview im Kongress. Zugegeben: Wir selbst sind meist weniger mit gezieltem Fitnessprogramm unterwegs, aber wir lieben es, mitsamt Hund querfeldein zu marschieren, unterschiedliche Untergründe unter den Füßen zu spüren und auch mal ein wenig zu balancieren und zu klettern (am Liebsten gemeinsam). Das Interview mit Tanja Petrick hat uns angestupst, das noch öfter zu tun. Kleine Inspiration von uns für unterwegs: Mit einer Hand voll Futterbröckchen selbst über einen (rutsch- und rollfesten) Baumstamm balancieren, ca. jeden Meter darauf eine Kniebeuge machen und ein Leckerchen für den Hund ablegen.
Für uns ein weiteres spannendes Thema:
Stärken stärken statt Schwächen therapieren: Das kennen wir als „Positive Psychologie“. Und genau das ist auch der Ansatz, den Madeleine und Rolf Franck in ihrem Interview zum Mutmachtraining propagieren. Hier ein paar spannende Wissensschnipsel aus ihrem ungemein wissensreichen Interview:
- Den Hund vor seinen bösen Geistern schützen (ihn also nicht ständig Situationen auszusetzen, die ihn überfordern) und gleichzeitig Erfolgserlebnisse organisieren (z.B. durch kleine Spiele und Abenteuer, die bewältigbar sind) – das ist die perfekte Strategie, Hunde darin zu unterstützen, auf Dauer besser mit dem Leben klarzukommen.
- Sowohl therapeutisch (bei bereits bestehenden Herausforderungen) als auch präventiv (um zum Beispiel Welpen stark fürs Leben zu machen) sind ideal: Erkundungsverhalten fördern, Bewegung ermöglichen (vorzugsweise nicht nur geradlinig, sondern auf verschiedenen Untergründen und als ungewohnte Bewegungsabläufe), viel spielen mit dem Hund! Dazu: ausreichend Schlaf mit mehreren „Tiefschlafinseln“ über den Tag verteilt.
- Interessanter Wissensschnipsel aus einer Fortbildung von Rolf Franck bei „Hunde-Bewegungsfachmann“ Prof. Martin Fischer: Wann immer Knochen mit Streckbelastungen konfrontiert werden, produzieren sie das Hormon Osteocalcin. Diese Hormon wirkt unter anderem ausgleichend bei Unsicherheit und Ängsten. Sprich: Auch vor diesem Hintergrund trägt Bewegung dazu bei, dass Hunde sicherer werden (ganz abgesehen davon, dass ein gutes Körpergefühl ohnehin zu mehr Selbstsicherheit beiträgt)! Was wir dazu noch bei Wikipedia nachgelesen haben: Osteocalcin beeinflusst im Gehirn die Produktion von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin und weiteren. Es unterstützt so Lernen und räumliches Gedächtnis. Im Laborversuch scheint Osteocalcin bei Mäusen altersbedingt verschlechterte Leistungen in Gedächtnisaufgaben und dem Erkennen neuer Gegenstände wieder zu verbessern. Wow!
- Toller Tipp, um Hundebegegnungen besser einschätzen zu können: Einfach das elterliche Einfühlungsvermögen einsetzen, mit dem die Natur jeden von uns grundsätzlich ausgestattet hat: Stell dir vor, hier begegnen sich nicht Hunde, sondern zwei- bis dreijährige Kinder? Wie gehen sie miteinander um? Sieht, das, was hier passiert, gerade gut aus – oder würdest du eingreifen und die Situation (freundlich) beenden?
Die ersten Wissensschnipsel von Tag 1 sind gerade zusammengetragen – und schon beginnt Tag 2, unserem Workshop-Tag!
Hier ist er, der Nachbericht aus unserem Workshop – der (anders, als es die Grafik vermuten lassen könnte) kein Fitnessworkshop allein für Vierbeiner war, sondern uns Zweibeiner runter vom Sofa holt, unter fröhlicher Einbeziehung der Hunde.
Diesmal war’s besonders spannend: Denn im Mittelpunkt stand die sogenannte „Propriozeption“ bei Mensch und Hund. Klingt sperrig, aber ist nichts weniger als unser 6. Sinn! Der ist vielen von uns überhaupt nicht bewusst, obwohl er doch so ungeheuer wichtig ist.
Propriozeption bedeutet „Körpereigenwahrnehmung“ und ist quasi das Navigationssystem für den eigenen Körper. Sie sorgt dafür, dass uns immer bewusst ist, wo sich unsere Gliedmaßen gerade befinden und dass wir uns mit angemessener Kraft, Spannung und Geschwindigkeit bewegen und jederzeit sicher stehen, gehen oder ruhen können. Die Propriozeption zu trainieren, ist deshalb nicht nur etwas für Spitzensportler (was diese übrigens regelmäßig tun), sondern verbessert insgesamt die Bewegungskoordination und schützt im Alltag vor Verletzungen bei ungewohnten Bewegungen. Ganz nebenbei: Das Wohlfühlen im eigenen Körper und die Sicherheit beim Bewegen fördern auch das Selbstvertrauen!
Um das Bewegungserleben stärken, wird sogenannte propriozeptive Stimulation eingesetzt, bei der die Aufmerksamkeit gezielt auf Körper- und Bewegungsempfindung gelenkt wird: zum Beispiel durch Berührungen der Haut mit Bürsten oder Igelbällen, das Balancieren auf instabilen Untergründen, durch kreative Bewegungsvariationen oder durch Barfußgehen auf unterschiedlichen Untergründen.
Und genau das haben Hund und Mensch im Workshop gemacht: Wir haben uns auf wackelige Podeste (dafür reichen schon zwei übereinandergelegte dicke Stuhlkissen oder Decken) begeben und dort Übungen gemacht und uns kreative Bewegungsvariationen ausgedacht. Und: Wir haben einen Hund-Mensch-Barfußpfad fürs Wohnzimmer gebaut, der ganz nebenbei ein kreativer Schlechtwetterspaß und zudem ein tolles Selbstbewusstseinstraining für die Hunde ist.
Eine kleine Impression aus unserem Wohnzimmer. Unsere Fantasie-Elemente: umgedrehter Schnüffelteppich (der auf Basis einer grob strukturierten Outdoor-Fußmatte knüpft worden war), Kunststoff-Kistendeckel mit darauf festgesaugten strukturierten Schleckmatten, flacher Karton (heruntergeschnitten auf Sprunggelenkshöhe) mit „Knisterkissen“ (großer Packpapierumschlag mit darin befindlichem zusammengeknüllten Packpapier), flacher Karton mit fest zusammengerollten Handtüchern (Breite der Rollen kann durch entsprechende Faltung der Handtücher genau an den Karton angepasst werden. Was beispielsweise noch eingebaut werden könnte: Flache Kartons gefüllt mit unterschiedlichsten Materialien wie (Tennis)Bällen, Korken, Packpapier-Kugeln, alten Socken, Laub oder Kastanien; ausgelegte Zeitungen, Plastiksack oder -plane, strukturierte Fußmatten, Stuhlkissen, …
Tipps: Das ganze auf rutschfestem Untergrund aufbauen. Jedes Element zunächst einzeln (quer drüber) bewältigen. Die Hunde immer mit niedriger Hand führen: Sie sollen sehen, wohin sie treten! Und: Die Hunde so lange führen, bis auch die Hinterbeine vom ungewohnten Untergrund wieder runter sind.
Und wer mehr über die Propriozeption erfahren will, begibt sich wieder aufs Sofa und schaltet den Fernseher ein: In der ARD-Mediathek gibt’s eine spannende Folge „Unser geheimnisvoller 6. Sinn“ der Reihe „W wie Wissen“ genau zum Thema!
Die Tage 2 und 3 waren bei uns leider überschattet von einem Stromausfall im Haus – gibt’s doch gar nicht! Daher sind u.a. die besonders spannenden und vermutlich unbequemen Interviews und Diskussionen u.a. mit Prof. Achim Gruber rund um’s Thema Rassehundezucht / Qualzuchten noch nicht auf unserem Sendeplan. Aber wir liefern noch nach, versprochen. Von einem sehr erhellenden Interview berichten wir jedoch schon einmal:
Kann man „gleichberechtigt“ mit Hunden zusammenleben? Natürlich nicht. Denn Gleichberechtigung würde auch bedeuten, die gleichen Rechte und Pflichten zu haben, die gleiche Verantwortung zu tragen. Viel besser passt allerdings der Begriff der „Gleichwürdigkeit“, den der dänische Pädagoge, Therapeut und Autor Jesper Juul (eigentlich in Bezug auf Kinder) etabliert hat: Ich akzeptiere die Würde des anderen, schaue auf dessen Bedürfnisse, ermögliche (auch an Entscheidungsfreiheit) was möglich ist – aber teile die Verantwortung nicht, denn die liegt bei mir. Und die Entscheidungen, die das Gegenüber nicht selbst treffen kann (weil es nicht alle Konsequenzen seines Handelns absehen kann und ich ihm schlecht Zusammenhänge erklären kann), die treffe ich.
Wichtig dafür: Das Wissen um die Bedürfnisse des anderen (hier: des Hundes); die Empathie, mich in ihn hineinzuversetzen und seine Bedürfnisse nachzuvollziehen und die Fähigkeit, Körpersprache zu lesen und wohlwollend zu interpretieren.
Ist das Leben mit Hund nicht schön? Bei der Eröffnung des Kongresses wurden die zahlreich erschienenen Speaker:innen gefragt, was sie den Zuhörenden mitgeben möchten. Die Antworten gingen alle in die gleiche Richtung: Erlaubt euch, das Miteinander zu genießen. Lass auch mal Fünfe gerade sein. Erfreue dich an deinem Hund, hab Spaß mit ihm – das Hundeleben ist so kurz! Genau das war auch die Botschaft des (wie könnte es auch anders sein) wunderbaren Interviews mit der wunderbaren Dagmar Spillner.
Und warum ist das Leben mit Hund so schön? Ja, es ist haariger, mitunter schmutziger, bindet Zeit, macht uns abhängiger und bürdet uns Verantwortung auf.
Aber da sind all die vielen schönen Momente und Erinnerungen, die sie uns schenken. Da ist vor allem ihre bedingungslosen Liebe und Zuneigung, die sie uns entgegenbringen. Egal, wie wir aussehen, wie alt oder jung wir sind, ob wir gute oder schlechte Laune haben. Und: Wir können von Hunden selbst so viel lernen über das Glücklichsein. Sie leben den Moment. Sind glücklich, schlafen zu können, wenn sie müde sind. Freuen sich, wenn sie eine Maus gefangen haben, hadern aber auch nicht lange damit, wenn die Maus ihnen entwischt ist. Sie finden sich mit so vielem ab!
Warum wir mit Hund so glücklich sind – das können vermutlich alldiejenigen am besten sagen, die gerade einen Hund verloren haben, weil dann so deutlich wird, was man vermisst. Aber so lange sollten wir gar nicht erst warten: Hast du deinen Hund heute schon angelächelt (ganz nebenbei: allein die Mundbewegung des Lächelns bewirkt, dass sich dein Gehirn auf „Gutfühlen“einstellt)? Hast du dich heute schon an ihm erfreut? Siehst du seine vielen guten Seiten (anstelle dich auf seine Herausforderungen zu fokussieren)? Mach es, denn das Hundeleben ist sooo kurz – und wir sind ihre Welt. Danke, Dagmar und Ariane, für die vielen Denkanstöße in eurem kurzweiligen Interview!
…und weiter geht’s. Wissensschnipsel folgen!