Hunde-Onlinekongress 2021 im Blog
Bei der Premiere 2019 waren wir selbst mit einem Beitrag von Christina Sondermann zum Thema „Hundebeschäftigung: artgerecht und alltagstauglich“ mit von der Partie. In 2021 haben wir unsere Teilnahme verschusselt, waren aber als begeisterte Zuschauer und Blogger dabei: Vom 12.-17. November 2021 lief der kostenlose Hunde-Onlinekongress. Es ist immer wieder ein Erlebnis, wenn Organisatorin Ariane Ullrich über 30 Hunde-Expertinnen und -Experten (die üblicherweise für einen gewaltfreien, freundlichen Umgang mit dem Hund stehen) zusammen trommelt und sie zu ihren jeweiligen Spezialthemen interviewt. Hier auf unserer Blogseite gibt’s „Wissensschnipsel“ aus den von uns an den Kongresstagen (und in den Tagen danach) geschauten Interviews.
Kongress-Videos (auch nachträglich) schauen - wie geht das?
Und hier kommen unsere „Wissensschnipsel“:
Und los geht’s: Das 90minütige Interview mit Esther Würtz, verhaltenstherapeutische Tierärztin, bildete für uns den Auftakt des Kongresses. Was wir als Highlights notiert haben:
- Wofür wir Hundeleute uns immer wieder sensibilisieren sollten: Schmerz ist einer der häufigen Gründe für Verhaltensveränderungen. Jedes Wehwehchen des Hunde und jede Beeinträchtigung des Hundekörpers führen dazu, dass die Belastungsfähigkeit der Tiere herabgesetzt wird: dass sie mehr Stress empfinden, dass sie gereizter reagieren, dass sie Fehlverknüpfungen entwickeln („ich hab Schmerzen, während ich mit dem Hundekumpel spiele oder ihm begegne: der Hundekumpel tut mir weh, den mag ich nicht mehr!“).
- Für uns Hundeleute ist es wichtig, uns immer wieder damit zu befassen „Wie geht es dem Hund heute? Zeigt er Auffälligkeiten“ Weil Hunde nicht reden können und es in der Natur wenig Sinn macht, Schmerz zu zeigen (wer Schmerz zeigt, wird schneller gefressen): Es ist wichtig, die teils subtilen Schmerzsignale der Hunde erkennen zu lernen. Ein guter Tipp: gelegentlich Bilder der Hunde jetzt und vor einiger Zeit zu vergleichen und nach Auffälligkeiten zu schauen (hat sich das Fell verändert, die Körperhaltung, der Augenausdruck)
- Von elementarer Bedeutung für die Gesundheit des Hundes ist das Aufwärmen unterwegs: Bevor das erste Spiel mit dem Hundefreund stattfindet oder das erste Bällchen fliegt, sollten mindestens 10, besser sogar 15-20 Minuten Aufwärmen durch Gehen im Schritt oder lockerem Trab stattfinden! Der Hintergrund: Sehnen, Bänder, Gelenke und Knorpel sind wie Schwämme. Wenn sie nicht ca. 20 Minuten Zeit haben, Gelenkflüssigkeit zu produzieren, „zerbröseln“ sie wie eine trockener Schwamm, auf den man feste drückt.
- Und: Unser Leinenhandling hat starke Auswirkungen auf die gesundheitliche Befindlichkeit des Hundes! Wer die Leine häufig nutzt, um die Bewegungsrichtung des Hundes zu verändern (und das auch noch unerwartet bzw. unangekündigt) riskiert tägliche Schmerzbelastungen! Wir Menschen möchten, dass sich unsere Hunde gut an der Leine verhalten – wir sollten es ebenso tun! Grundsätzlich wirkt jedes unerwartete Manipulieren am Hund (ihn einfach nehmen und umdrehen, überraschend eine Pfote hochnehmen und sie abputzen) „wie ein kleiner Auffahrunfall“.
- Die Stiefkinder der Hundephysiotherapie sind die Zehengrundgelenke. Zum Beispiel verändern zu lange Krallen den Zehenstand. Das ist wie dauerhaftes Laufen auf High Heels und führt irgendwann zur Athrose.
Au Backe! Der Vortrag von Ralph Rückert tat phasenweise fast körperlich weh, wenn er darüber sprach, unter welchen Höllenqualen Hunde mit Zahnschmerzen teils über Jahre unentdeckt leiden. Es ist unendlich wichtig, dass wir Hundeleute hier noch viel aufmerksamer werden. Nur eine kleine Essenz aus dem Gesagten:
- Zahnstein und Paradontitis sind auch Hunde-Volkskrankheiten. Das kommt auch daher, dass die Natur uns und die Hunde für viel kürzere Lebensdauer „vorgerüstet“ hat als unsere aktuelle Lebenserwartung. Karies hingegen bekommen Hunde nicht (bzw. kaum jemals).
- Zahnschmerzen werden von Hunden genau so empfunden wie von uns Menschen – im Unterschied zu uns kann er darüber nicht reden und wir merken ihm die Schmerzen oft nicht an. Wir alle wissen jedoch, wie beeinträchtigt unser gesamtes Leben ist, wenn nur ein einzelner Backenzahn schmerzt – nichts macht mehr Spaß! Hunde erleben das oft über Monate und Jahre und an gleich mehreren Zähnen….
- Ständige Entzündungsherde und dauerhafter Bakterienbeschuss tun nicht „nur“ weh, sondern schädigen auch den Rest des Organismus, z.B. das Herz und die Nieren.
- Die entscheidende Rolle für die Zahngesundheit spielt die Genetik. Die kleinen Rassen haben oft die größten Probleme – weil sie im Vergleich zur Schädelgröße überproportional große Zähne haben (die teils sehr eng stehen, mit weniger Knochenmasse um den einzelnen Zahn).
- Mit der Fütterung können wir kaum Einfluss auf die Zahngesundheit nehmen, allenfalls auf die der vorderen Zähne: Die beiden hinteren „gammeln oft unbemerkt vor sich hin und vergiften den ganzen Organismus“.
- Was Kau-Artikel angeht: Alles, was man mit einem stabilen kurzen Daumennagel einkerben kann ist okay. Alles, was härter ist (z.B. Knochen oder Geweihstücke) birgt das hohe Risiko von Zahnfrakturen.
- Absolut alternativlos ist das Zähneputzen – und zwar am besten täglich, abends nach der letzten Mahlzeit. Dabei kommt es in erster Linie auf den mechanischen Abrieb an. Ralph Rückert putzt mit Zahnbürste und Hundezahnpasta (die oft wegen der Akzeptanz günstig ist), unsere Tierärztin empfiehlt auch das einfache Abputzen mit einem angefeuchteten Mikrofasertuch.
- Und weil 50 % der Zahnbefunde von außen gar nicht sichtbar sind: Es ist im Regelfall sinnvoll und erforderlich, den Hund regelmäßig einer professionellen Zahnreinigung zu unterziehen und dabei auch mindestens jeden „verdächtigen“ Zahn zu röntgen. Der Effekt auf Gesundheit und Wohlbefinden wiegt nach Ansicht von Ralph Rückert das mögliche Narkoserisiko selbst bei alten Hunden deutlich auf („Sie würden ja auch Ihre Oma nicht mit gebrochenem Bein unoperiert lassen“).
Also, ran an die Zahnbürsten – und auf zu den Tierärzten und alle möglicherweise notwendigen Maßnahmen besprechen.
Vom Zahnweh zur Luftnot – noch einmal mit Tierarzt Ralph Rückert und mindestens genau so eindringlich und betroffen machend. Möpse, Französische Bulldoggen und Co. sind so zauberhafte Clowns, den Menschen so zugetan und bei uns Zweibeinern entsprechend beliebt: Aber die permanente Atemnot, unter denen viele der Vertreter sogenannter „brachycephaler“ (kurzschnäuziger) Rassen ihr Leben lang leiden müssen, ist dramatisch – in Extremfällen schon so, dass ein zu heißer Tag oder ein kleiner Infekt der oberen Atemwege zum qualvollen Ersticken führen kann. Ralph Rückert schildert die Situation schonungslos, aber auch mit viel Empathie für die Besitzerinnen und Besitzer. Wer die Gelegenheit hat, sollte sich diesen Vortrag unbedingt anschauen. Was wir alle daraus lernen können:
- Wir müssen uns informieren und sensibilisieren: Das gilt alle Hundeleute – und ganz besonders dann, wenn wir mit Vertretern der betroffenen Rassen zusammenleben, uns mit der Anschaffung eines (nächsten) Vierbeiners befassen oder beruflich mit Hunden und ihren Menschen arbeiten und sie beraten. Ein gut gemachter, sachlicher, aber eindringlicher Flyer zur Aufklärung über das sogenannte „brachycephale Syndrom“ (verlinkt: pdf-Datei zum kostenlosen Download) ist von der Berliner Tierärztekammer herausgegeben worden, im Rahmen ihrer Kampagne zur Qualzucht von Hunden.
- Laut Ralph Rückert würde die große Mehrheit von Möpsen und Französischen Bulldoggen von einer Operation ihrer Atemwege profitieren. Er appelliert an die Besitzerinnen und Besitzer dieser Hunde, mit dem Tierarzt / der Tierärztin die Betroffenheit des eigenen Vierbeiners zu besprechen.
- Ralph Rückerts Wunsch für die Zukunft: dass es in 10 Jahren keine Hunde mit sichtbarer Luftnot mehr im Straßenbild gibt, weil wir Menschen dafür sensiblisiert sind…Dem schließen wir uns an.
Atemnot
Was Ralph Rückert und Ariane Ullrich im Bild machen, ist ein kleines Experiment. Wer nachvollziehen möchte, wie es ist, mit viel zu wenig Luftzufuhr zu atmen, verkleinert durch Druck mit der Hand ein wenig seine Nasenlöcher, schließt den Mund und atmet ausschließlich durch die Nase ein und aus. Achtung, das ist selbst im entspannten Ruhezustand höchst unangenehm! Ralph Rückert sagt: Wenn wir von Atemnot reden, dann reden wir von existenzieller Not, von extremem Stress, teils von Todesangst.
Wie spannend – drei „Koriphäen“ der Hunde-Ernährungsberatung an einem virtuellen Tisch: Dr. Natalie Dillitzer, Dr. Stefanie Handl und Dr. Susan Kröger, allesamt Fachtierärztinen für Ernährung und Diätetik, sprechen mit Ariane Ullrichs übers Füttern. Was wir u.a. mitgenommen haben:
- Die einzig wahre Fütterungsart gibt es nicht. Dass die Hunde alle Nährstofffe bekommen, die sie benötigen, kann mit nahezu allen Fütterungsarten erreicht werden – selbst mit einer vegatarischen oder sogar veganen Ernährung.
- Die wichtigen Kriterien für die Wahl der Fütterungsart: Sie muss bedarfsdeckend sein, gut vertragen werden, schmecken und …Spaß machen (und zwar Hund und Mensch, d.h. es sollte auch zum menschlichen Alltag und Lebensstil gut passen)!
- Die Fütterung rohen Fleisches bringt wenig ernährungsphysiologisches Vorteile, wohl aber ein Hygienerisiko – vor allem, wenn Kinder, Schwangere, chronisch Kranke oder Senioren mit im Haushalt leben.
- Spezielles Welpenfutter macht aufgrund der erhöhten Nährstoffbedarfes und schnellen Wachstums der jungen Hunde Sinn. Es sollte so lange weiter gegeben werden, bis die Hunde komplett ausgewachsen sind, d.h. bis die Wachstumsfugen geschlossen sind: Das ist bei sehr kleinen Rassen mit ca. 10 Monaten der Fall, bei mittelgroßen Hunden mit ca. einem Jahr, bei größeren Hunden bis ca. 40 kg mit 15 Monaten und bei sehr großen Hunden ab ca. 60 kg mit 16-18 Monaten! Erst danach sollte auf Erwachsenenfutter umgestellt werden.
- Wenn ein Fertigfutter als Alleinfuttermittel deklariert ist, müssen theoretisch alle Nährstoffe enthalten sein, die ein durchschnittlicher Hund zum Leben braucht. Allerdings sollte man misstrauisch werden, wenn keinerlei Zusatz von Vitaminen und Spurenelementen auf dem Etikett deklariert ist.
Das Gespräch zeigte einmal mehr: Es lohnt sich nicht, Glaubenskriege ums Füttern zu führen. Ratsam ist es jedoch, sich über die Fütterungsart der eigenen Wahl gut zu informieren und im besten Fall ErnährungsexpertInnen mit fundierter Ausbildung zu Rate zu ziehen.
Bauch – Beine – Wau! Die Idee, dass Hund und Mensch ein kleines Fitness- und Gymnastikprogramm gemeinsam absolvieren, ist wirklich charmant. Und auch eine geniale Idee für Indoor-Online-Kurse in der dunklen Jahreszeit! Wir selbst turnen jetzt schon gelegentlich gemeinsam im Wohnzimmer, damit das Home-Office nicht zum Dauer-Sitzen wird. Ab jetzt werden wir es noch bewusster tun! Wer sich Anregungen holen will, lässt sich vom fröhlichen Workshop mit Monika Schulze, Hundetrainerin und Polizeihundeführerin, inspirieren.
Übrigens auch von Monika Schulze ein Tipp: Vor jeglicher sportlicher Aktivität des Hundes gilt das gleiche wie im „Menschensport“: Aufwärmen nicht vergessen – und anschließend ein Cool-Down mit Dehnübungen etc.
Natürlich ist die eine oder andere Träne im Knopfloch bei diesem Thema nicht ganz zu vermeiden. Aber es sind nicht nur Sophie Strodtbecks Humor und ihr profundes Fachwissen und Erfahrungsschatz (auch mit den eigenen Hundesenioren), die dieses Interview so sehenswert machen: Denn viel zu schnell wird auch der Zeitpunkt kommen, an dem die eigenen Vierbeiner das Seniorenalter erreichen. Und dann sind wir es ihnen schuldig, dass wir ihnen das Leben so gut wie möglich gestalten – bis zuletzt. Einige Extrakte aus ihrem Beitrag:
- Was hält Alterungsprozesse auf, was begünstigt sie? Die Erfahrung zeigt, dass Hunde, die ein glückliches Leben führen, vergleichsweise wenig Stress haben und sich auf ihre Menschen verlassen können, langsamer altern. Auch Gehirnjogging und Problemlöseaufgaben wirken positiv (und auch prophylaktisch gegen Demenz), ebenso ein gesundes Maß an Bewegung. Hingegen verkürzt Adipositas (also Fettleibigkeit / Übergewicht) die Lebenserwartung von Hunden um bis zu 2 Jahre!
- Um altersbedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen, sollte (je nach Rasse, große altern tendenziell früher, kleine später) ca. ab dem 7. Lebensjahr jährlich ein geriatrisches Profil beim Tierarzt gemacht werden. Darin werden im Wesentlichen die Organwerte von Leber, Niere, Herz, Bauchspeicheldrüse und Schilddrüse gecheckt. Noch ehe klinische Symptome auftreten, kann dann erforderlichenfalls frühzeitig behandelt werden. Auch Veränderungen der Haut sollten sicherheitshalber immer beim Tierarzt vorgestellt werden.
- Auch Sophie Strodtbeck spricht an, was bereits Ralph Rückert in seinem Interview uns Hundeleuten mitgegeben hat: Zahngesundheit ist ein Riesenthema! Unabhängig vom Alter: Das Gebiss sollte immer in so einem Zustand sein, dass der Hund nicht von dauerhaften Zahnschmerzen geplagt wird und keine Bakterien seinen Organismus verseuchen.
- Ist es sinnvoll, wenn zum alten Hund ein Welpe einzieht? Es gibt Hunde, die dabei aufblühen. Allerdings sind viele alte Hunde mit einem Welpen restlos überfordert. Und: Auch für uns Menschen wird es ein Spagat sein, sowohl dem jungen als auch dem alten Hund gerecht zu werden, denn beide brauchen altersbedingt extrem viel Aufmerksamkeit. Es gilt immer die Regel, dass der alte Hund vom jungen nicht belästigt werden darf – und dafür hat der Mensch zu sorgen. Sophie Strodtbeck empfiehlt: sich ehrlich fragen, ob der vorhandene Hundesenior wirklich davon profitieren würde – oder ob der Welpe nicht vor allem deshalb zu Lebzeiten des älteren Hundes angeschafft wird, damit nach seinem Tod der Haushalt nicht hundelos ist.
- Und wann ist der Zeitpunkt gekommen, vor dem wir uns alle so fürchten? Da kaum ein Hund „einfach so einschläft“ ist es an uns, eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen und den eigenen Egoismus hinten anzustellen. Sophie Strodtbeck sagt, was wir bislang auch so erfahren haben: die meisten Hunde teilen es uns mit, wenn sie „nicht mehr wollen“. Um dem Hund in seinen letzten Stunden eine Stütze zu sein, hilft es, sich rechtzeitig vorher zu informieren, wie eine Euthanasie abläuft, ob der Tierarzt nach Hause kommen würde etc. Wenn andere Hunde im Haushalt leben: Sie von ihrem verstorbenen Freund Abschied nehmen zu lassen, ist wichtig.
Was muss passiert sein, damit man um Mitternacht im Internet nach 20 m Seil Ausschau hält? Genau, wir haben zu später Stunde den Workhop „Indoorbeschäftigung“ mit der wunderbaren Dagmar Spillner gesehen! Hundgerecht, kreativ, so simpel wie möglich und irgendwie ein bisschen verrückt – das ist auch unser Ding. Und die Sache mit dem Seil: Weil es zu schade zu spoilern ist, hier nur die kurze und knappe Fassung. Man nehme ein langes Seil oder eine Schleppleine, lege es zunächst lang durch den Raum, platziere am Anfang und Ende ein paar Leckerchen und dann alle 30-40 cm ein Bröckchen und bringe den Hund dann ganz vorne auf die Spur. Was so unspektakulär klingt, wird ziemlich sicher zum Riesenspaß. Wie lange dauert es, bis der Hund das Seil als Hinweisgeber für „hier sind Leckerchen“ entdeckt? Und was passiert, wenn später das Seil um die Kurven geht, treppauf, treppab, über einen Stuhl, nach draußen und so weiter???
Auch der Rest des Workshops ist klasse, unbeschwert und lustig, aber das Seil, das ist unser persönliches Highlight (übrigens in Minute 23:00 – ca. 48:00)… Unbedingte Empfehlung: Anschauen, sofort!
Die Nachfrage nach unkomplizierten Familienhunden aus dem Tierschutz ist hierzulande groß. Gleichzeitig sitzen in unseren örtlichen Tierheimen viele Hunde, die nicht als „unkomplizierte Familienhunde“ vermittelbar sind. Ist es vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt, Hunden aus dem Auslandstierschutz zu helfen – wenn dort die Auffangstationen überquellen? Stefan Kirchhoff meint „Ja“ und sagt gleichzeitig: Es ist wichtig, gut informiert zu sein – und es gibt große Unterschiede in Bezug auf die vermittelnden Tierschutzorganisationen. Stefan Kirchhoff ist Hundetrainer und Verhaltensberater, ehemaliger Tierheimleiter und zudem Autor des Buches „Streuner! Straßenhunde in Europa“, für das er im Jahr 2013 drei Monate lang Straßenhunde beobachtet hat. Was er unter anderem sagt:
- Es gibt nicht „den Hund aus dem Auslandstierschutz“. Es gilt, die Hunde individuell zu betrachten – auch, um Herausforderungen einschätzen zu können. Beispielsweise sind die wenigsten Hunde aus dem Auslandstierschutz herrenlose Straßenhunde, die auf der Straße geboren sind und ihr Leben dort verbracht haben. Die meisten sind ehemalige Besitzerhunde, die auf irgendeine Weise mit dem Menschen zusammengelebt haben, z.B. als Zwinger- bzw. Verschlagshunde (oftmals in Jägerhänden), Kettenhunde (mit einzigem „Hobby“ Aufpassen), Hofhunde auf ausschließlich einem Gelände, Hofhunde mit Freigang (wie unsere Freigängerkatzen) – und selbst Straßenhund ist nicht gleich Straßenhund (z.B. teils menschenzugewandt, teils menschenscheu).
- In den Auffangstationen und Tierheimen vor Ort ist es sehr schwierig, Hunde einzuschätzen: zum einen, weil ihre Vergangenheit oft nicht bekannt ist; zum anderen, weil die Verhältnisse in den Auffangstationen ein Einschätzen kaum ermöglichen (wegen Überfüllung und Überlastung). Die Tierschutzorganisationen vor Ort arbeiten deshalb im Idealfall mit Tierheimen oder zumindest Pflegestellen in Deutschland zusammen, bei denen die Hunde übergangsweise aufgenommen werden. Dort können sie zunächst beurteilt und eingeschätzt werden und ein (mehrmaliges) Kennenlernen der adoptionswilligen Menschen ist möglich. Außerdem ist durch solche Modelle meist gewährleistet, dass im Falle auftretender Probleme Hilfestellung gegeben werden kann. Wer hingegen einen Hund ohne vorherige „Zwischenstation“ direkt aus dem Ausland übernehmen will, verfügt im Idealfall über viel Hunde-Erfahrung und ist sich im Klaren darüber, dass viele unerwartete Herausforderungen auftreten können.
- Vermittlung ist nicht alles! Wer den Auslandstierschutz unterstützen möchte, der wählt vor allem solche Projekte, die sich auch um die Verbesserung der Zustände vor Ort bemühen: zum Beispiel durch den Einsatz von Tierschutzlehrern insbesondere an Schulen, durch Kastrationsaktionen (wobei laut Stefan Kirchhoff dauerhaft ca. 70 % einer Straßenhundpopulation kastriert sein müssen, damit sie rückläufig ist), durch den Bau kleinerer Modelltierheime vor Ort mit guter Öffentlichkeitsarbeit und Einbindung der örtlichen Bevölkerung usw.
Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, wie es möglich ist, eine große Hundegruppe auf dem Spaziergang zu führen – und zwar so, dass alle glücklich und zufrieden dabei sind und niemand (weder innerhalb der Gruppe noch beim Entgegenkommen) belästigt wird? Für Anne Rosengrün, die selbst seit vielen Jahren Dogwalkerin ist und auch Dogwalker(innen) ausbildet, ist das Alltag. Und sie macht das richtig gut. In ihrem Interview gibt’s viele handfeste Tipps – sowohl für Menschen, die mit einer großen Gruppe Hunde unterwegs sind als auch für Hundeleute, die einen Dogwalker suchen oder Dogwalker(in) werden wollen:
- Anne Rosengrün ist meistens in abgeschiedener Umgebung ohne viel Begegnungen unterwegs. Wer nicht freilaufen kann, schleppt eine Biothane-Leine hinter sich her, die im Zweifelsfall auch in der Hand gehalten werden kann (Annes Tipp: am wenigsten verheddert sich Beta-Bioathane, keine Grippy-Biothane). Die meisten Hunde tragen zur Sicherheit GPS-Tracker.
- Damit sie entspannt unterwegs sein kann, trainiert sie dabei ständig mit den Hunden bzw. beschäftigt sich mit ihnen. Alle Hunde lernen bei ihr ein Markersignal, einen doppelten Rückruf mit Ankersignal (das heißt: ein Signal fürs Umdrehen, z.B. „Hiiiier!“, bereits das Umwenden wird gemarkert, beim auf sie Zurennen zusätzlich ein Ankersignal wie „ZackZackZack“, dann üppige Belohnung), zwecks Umorientierung und Ansprechbarkeit dient der Name des Hundes.
- Für einen ruhigen Start in den Spaziergang fahren die Hunde im Auto in Einzelboxen. Unruhige Geister bekommen während der Fahrt Kau-Artikel. Nach dem Aussteigen (das erst stattfindet, wenn kein Hund bellt) gibt’s eine Futtersuche neben dem Auto. Generell achtet Anne Rosengrün darauf, dass der Erregungslevel gering bleibt, wer mit wem rennt und dass niemand gemobbt wird.
- Bei Begegnungen weicht sie mit der Hundegruppe aus. Mit etwas Abstand suchen die Hunde Futter, hüpfen auf Baumstämme, sie macht Click für Blick (d.h. markert für das ruhige Anschauen des vorbeiziehenden Hundes / Joggers / Radfahrers) usw. Sie weiß, auf welche Hunde sie den Fokus besonders legen muss.
- Hunde, die Ressourcen (Menschen, Futter, Spielzeug) extrem verteidigen, können in der Gruppe nicht mitgehen. Ansonsten hat Anne Rosengrün kaum Probleme mit Futterneid oder Ressourcenverteidung („es gibt ja immer genug für alle“). „Kritische Kandidaten“ bekommen bei der Futtersuche einen separaten Suchort. Zur Vorbeugung von Futterneid dient das Namensspiel (beim Übergeben von Belohnungen werden die Hunde reihum jeweils mit Namen angesprochen, bevor das Futter überreicht wird).
- Und wie finde ich einen Dogwalker, der so arbeitet wie Anne Rosengrün? Anne ist gut vernetzt und bildet seit vielen Jahren selbst Dogwalker(innen) aus. Ihre Webseite mit vielen Infos: hundeservice-nuernberg.de Ansonsten hilft ein prüfender Blick auf die Webseiten eines Anbieters / einer Anbieterin: Auf welche Qualifikationen und Fortbildungen weist der Dogwalker / die Dogwalkerin hin? Welche Philosophie vertritt er / sie (bei Anne: freundlicher Umgang mit den Hunden, Arbeit über positive Bestärkung, Belohnung mit Lob und Leckerli)? Und: Wie sehen die Hunde auf den veröffentlichten Fotos und Videos von Webseite und Social-Media-Präsenz aus? Haben sie glückliche, entspannte Gesichter und können mit Bewegungsfreiheit und Abstand laufen – oder sehen wir dicht bei oder sogar hinter dem Menschen laufende Gruppen mit angespannten Gesichtern? Tragen die Hunde Brustgeschirre? Auch das ist oft ein Hinweis auf einen freundlichen Umfang mit den Hunden.